Unterliegt ein zu einem BEM – Erstgespräch eines Beschäftigten hinzugezogenes Betriebsratsmitglied einer Schweigepflicht gegenüber den anderen Betriebsratsmitgliedern?
Zunächst hängt überhaupt die Beteiligung eines Betriebsratsmitgliedes bei einem BEM – Erstgespräch gem. § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX von der Zustimmung des betroffenen Beschäftigten ab. Hierdurch wird deutlich, dass der betroffene Beschäftigte bzgl. des BEM – Gespräches und des entsprechenden Verfahrens nach § 167 II 1 SGB IX „Herr des Verfahrens“ ist. Ohne die Zustimmung des Betroffenen würde ein solches Verfahren überhaupt nicht durchgeführt werden können.
Zunächst gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (z.B. BAG, NZA 2016, 1283), dass es sich bei dem Verfahren des § 167 II 1 SGB IX (früher § 84 II 1 SGB IX) um ein nichtformalisiertes Verfahren handelt, welches den Beteiligten einen Spielraum offen lasse.
Es obliegt allein der Entscheidung des Betroffenen, ob dieser ein Betriebsratsmitglied dabei haben möchte oder eben nicht. Ferner lässt sich gut durch einen „Erst – recht – Schluss“ argumentieren, dass der Betroffene auch die Wahl hat, nur ein bestimmtes BR – Mitglied seines Vertrauens zu dem BEM-Gespräch hinzuzuziehen (vgl. Prof. Dr. Kort, NZA 2019, S. 502 ff.).
Zieht nun ein Betroffener ein bestimmtes BR – Mitglied zu einem BEM – Gespräch hinzu, stellt sich die Frage, ob für dieses BR – Mitglied eine besondere Verschwiegenheit gegenüber den anderen BR – Mitgliedern gilt.
Die Regelungen des BetrVG hierzu sind durchaus unterschiedlich. § 79 I BetrVG schreibt eine allgemeine Schweigepflicht vor, welche jedoch nach § 79 I 3 BetrVG nicht innerhalb des Betriebsrates gilt. Letztlich lässt sich auch aus den § 99 I 3 BetrVG oder § 102 I 5 BetrVG keine Verschwiegenheitsverpflichtungen der BR – Mitglieder untereinander ableiten.
In der Literatur wird zum Teil angenommen, dass eine Parallele zwischen dem § 167 II 1 SGB IX und den §§ 81 – 83 BetrVG gibt, da letztere die Wahrnehmung individueller Arbeitnehmerrechte regeln und somit vergleichbar seien. Aus ihnen lasse sich eine Verschwiegenheitsverpflichtung entnehmen, so dass das BR – Mitglied, welches durch den Betroffenen zu einem BEM – Gespräch hinzugezogen wird, ebenfalls einer Verschwiegenheit gegenüber den übrigen BR – Mitgliedern unterliegt (vgl. Prof. Dr. Kort, a. a. O. mit weiteren Nachweisen).
Und was sagt das neue Datenschutzrecht (DS-GVO, BDSG 2018) dazu?
Früher ist wohl überwiegend die Auffassung vertreten worden, dass das alte Bundesdatenschutzgesetz aufgrund seiner Nachrangigkeitsklausel in § 1 III z.B. vom SGB verdrängt werden würde. Eine solche Subsidiaritätsklausel kennt die DS-GVO nicht. Zwar enthält § 1 II BDSG (2018) noch eine eingeschränkte Subsidiarität, gleichwohl schließt dieses nicht die Regelungen der DS-GVO aus.
Demzufolge kann z.B. aus § 26 BDSG in der aktuellen Fassung auch nicht entnommen werden, dass dieses die Vorgaben der DS-GVO aushebelt. So räumt Art. 88 DS-GVO dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber nicht ein, das Arbeitsrecht gänzlich aus dem Anwendungsbereich der DS-GVO zu nehmen.
Somit hat selbstverständlich auch der Betriebsrat (unabhängig von seiner datenschutzrechtlichen Einordnung als eigene verantwortliche Stelle oder Teil des Arbeitgebers) die Bestimmungen des Datenschutzes zu beachten.
Art. 5 I lit. c) DS-GVO bestimmt, dass personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müssen („Datenminimierung“). Aus diesem Grundsatz der Datensparsamkeit, den es auch im alten Datenschutzrecht gab, folgt, dass auch das nur als Unterstützer hinzugezogene BR – Mitglied jene Informationen, die es in einem BEM – Gespräch nach § 167 II 1 SGB IX erlangt, nicht mit anderen BR – Kolleginnen und Kollegen teilen darf. Diese Verarbeitung der personenbezogenen Daten innerhalb des Gremiums wäre im Zweifel nicht von dem Zweck des BEM – Verfahrens und der dortigen Verarbeitung personenbezogener Daten gedeckt.
Etwas Anderes kann dann gelten, wenn man auch dieses explizit in der Einwilligung des Betroffenen mitregelt. Also wenn transparent und den Erfordernissen des Art. 7 DS-GVO folgend der Betroffene darin einwilligt, dass das hinzugezogene BR – Mitglied die im BEM – Gespräch erlangten Informationen mit anderen BR – Mitgliedern teilen möchte.
In vielen Betriebsvereinbarungen zu BEM – Maßnahmen ist geregelt, dass diese Daten von der „Arbeitsgruppe BEM“ oder ähnliches bearbeitet werden würden bzw. die Arbeitsgruppe BEM dieses für den BR durchführt. Sofern innerhalb eines Betriebsrates dieses an einen extra hierfür bestimmten Personenkreis delegiert werden soll, ist darauf zu achten, dass dieses auch klar in den Informationsschreiben an den Betroffenen enthalten ist und dass der Betroffene darin einwilligt, dass dieser Arbeitskreis innerhalb des Gremiums Zugriff auf die im Rahmen des BEM – Verfahrens erlangten personenbezogenen Daten (unter anderem ja auch besondere personenbezogene Daten im Sinne des Art. 9 DS-GVO – Gesundheitsdaten) erhält. Hier ist § 26 III BDSG bzw. Art. 9 DS-GVO zu beachten.
Nach alledem sind BR – Mitglieder, die individuell persönlich zu einem BEM – Gespräch herangezogen werden, gut beraten, wenn sie die Informationen aus diesem BEM – Gespräch nicht mit ihren BR – Kolleginnen und Kollegen teilen und auch dafür Sorge tragen, dass entsprechende Unterlagen verschlossen und vor dem Zugriff Dritter geschützt sind.