Arbeitsrecht: Urteil des BAG zur „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung

BAG, Urteil vom 03. Juni 2014 – 9 AZR 111/13

In der vorgenannten Entscheidung vom 03.06.2014 hat das Bundesarbeitsgericht die Frage aufgelöst, ob ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG und damit eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu den Rechtsfolgen des § 10 Absatz 1 AÜG entsprechend führt. Dies hat das BAG jedoch zutreffend im Ergebnis abgelehnt.

Bereits im Jahre 2013 hatte ich in meinem Block auf die Entscheidungen des LAG Berlin hingewiesen, die den Stein letztlich ins Rollen brachten. Die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg hatte seinerzeit geurteilt, dass die Rechtsfolge einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung in der Konsequenz eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung sei, so dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher zustande kommen würde (§ 10 Abs. 1 AÜG).

Hingegen hatte bereits die 7. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg den Fall anders gesehen. Diese hatten (meiners erachtens zu Recht) darauf hingewiesen, dass das Gesetz eben gerade keine Rechtsfolge anknüpfe. Im Ergebnis bliebe auch die dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung sanktionslos; jedenfalls werde kein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher dadurch begründet.

 

In dem Revisionsverfahren der Sache der 7. Kammer des LAG Berlin-Brandeburg hat nun das BAG die Entscheidung des LAG bestätigt und festgestellt, dass

ein Verstoß gegen das ab dem 01. Dezember 2011 geltende Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zum Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer führt, wenn der Verleiher die nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat, seine Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung zu überlassen.“

Unter Verweis auf die Entscheidung BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 AZR 51/13 –, BAGE 146, 384-396 hat das BAG erneut bestätigt, dass der Gesetzgeber eine Sanktion im Falle des Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG gerade nicht getroffen hat. Der Gesetzgeber habe bis zum 30.11.2011 bewusst darauf verzichtet, die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung zu begrenzen. Dieses ergäbe sich aus der Neukonzeption des Rechts der Arbeitnehmerüberlassung durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungenam Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002. In der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung sei in § 3 Abs. 1 nr. 6 AÜG noch eine Höchstüberlassungsdauer von 24 aufeinanderfolgenden Monaten geregelt gewesen. Dieses habe man durch Art. 6 Nr. 3 Buchstabe b) des Ersten Dienstleistungsgesetzes aufgehoben. Damit sei klar, dass der Gesetzgeber ausdrücklich eine zeitliche Beschränkung der Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr regeln wollte.

Gleichwohl kommt nach Auffassung des BAG eine analoge oder richtlinienkonforme Auslegung des § 10 AÜG bei einem Verstoß gegen die vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung nicht in Betracht. § 10 AÜG fingiere das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich für den Fall des Fehlens der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Diese Voraussetzung läge nicht  vor. Des Weiteren sei auch nicht von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen, da der Gesetzgeber bewusst die Dauer nicht beschränkt habe und auch keinerlei Sanktion angeknüpft habe. Auch sei die Situation eines nicht nur vorübergehend überlassenen Arbeitnehmers mit der Situation eines ohne Erlaubnis überlassenen Arbeitnehmers nicht vergleichbar. Aufgrund dessen scheide ebenfalls eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 s. 1 AÜG aus.

Nämliches gelte auch für die Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104/EG des Rates vom 19. November 2008). Diese gäbe den Mitgliedstaaten an die Hand, Sanktionen bei Verstößen gegen die Richtlinie zu verhängen, regele jedoch selbst ebenfalls keinerlei Sanktionen.

 

Fazit:

Auch die dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung ist nach der aktuellen Rechtslage erlaubt bzw. zumindest sanktionslos. Ob und inwieweit der Gesetzgeber nun handelt, bleibt abzuwarten. Derzeit ist jedoch die Arbeitnehmerüberlassung nach wie vor ein adäquates Modell für Arbeitgeber, um entsprechende Arbeitsspitzen aufzufangen oder ggf. zeitlich begrenzt Arbeitnehmer zu beschäftigen, ohne enge Bindung und der Gefahr, diese nur mit hohen Abfindungszahlungen wieder kündigen zu können.

Karsten Klug
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Hamburg

Die Arbeitnehmerüberlassung in das Ausland

Gilt für die Arbeitnehmerüberlassung in das Ausland auch das AÜG?

Gem. § 1 III Nr. 3 AÜG gilt das AÜG nicht, wenn ein Leiharbeitnehmer in das Ausland überlassen wird, wenn ein entsprechender völkerrechtlicher Vertrag vorliegt, der Verleih an ein deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen erfolgt und der Verleiher an diesem Gemeinschaftsunternehmen beteiligt ist.
In allen übrigen Fällen, sofern ein Arbeitnehmer aus Deutschland in das Ausland überlassen werden soll, bedarf es der Erlaubnis nach dem AÜG, auch bei der Überlassung in Nicht – EU- oder Nicht – EWR – Staaten.

Der besondere Fall:
Wird jedoch ein ausländischer Leiharbeitnehmer von einem Ausländer an einen ausländischen Entleiher entliehen und zur Arbeit in Deutschland überlassen, so ist nach h. M. das AÜG nicht anwendbar (Thüsing (Hrsg.), AÜG, 2. Auflage 2008, Einführung, Rdnr 25).

Oftmals wird versucht, die Regelungen des AÜG, gerade auch bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung dadurch zu umgehen, dass Werkverträge mit Subunternehmern geschlossen werden (Grundlage: Werkvertragsarbeitnehmer – Vereinbarung mit den mittel- und osteuropäischen Staaten und der Türkei). Hiervon ist jedoch dringend abzuraten, da es sich tatsächlich um illegale Arbeitnehmerüberlassung handelt. In diesem Zusammenhang ist problematisch, dass dies neben der Entziehung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auch weitere strafrechtliche bzw. zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Zudem dürften diese Unternehmen sodann stärke von den Zollbehörden kontrolliert werden.

Zusammenfassung:
Aufgrund des Territorialitätsprinzips bedarf jede Arbeitnehmerüberlassung in, nach oder aus Deutschland der Genehmigung nach deutschem Recht, da das AÜG Anwendung findet.

Welches Recht gilt für die arbeitsvertraglichen Regelungen? Welches Rechtsstatut ist anwendbar?
Dieses richtet sich wiederum nach den Art. 27 ff. EGBGB. Grundsätzlich gilt das, was vertraglich vereinbart worden ist. Mangels Vereinbarung gilt die objektive Anknüpfung nach Art. 30 II EGBGB. Maßgeblich ist der Ort, an dem ein AN in Erfüllung seines Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ggf. wichtige Normen, die im Ausland keine Geltung haben und eine Benachteiligung des Arbeitnehmers darstelle würden, durch die deutschen zwingenden Regelungen sodann ersetzt werden.

Die Arbeitnehmerüberlassung – Teil 2

Allgemeine Informationen / Voraussetzungen nach dem AÜG:

Für die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG benötigen Arbeitgeber neben einer Gewerbeerlaubnis eine weitere Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 AÜG) von der Agentur für Arbeit. Diese Erlaubnis wird grundsätzlich auf 1 Jahr befristet. Erst nach 3 Jahren unproblematischer und insbesondere unauffälliger Leiharbeit wird die Erlaubnis unbefristet erteilt(§ 2 IV,V AÜG).

Einer Erlaubnis bedarf es nicht für einen Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten, der zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen an einen Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bis zu einer Dauer von 12 Monaten überlässt. Allerdings muss diese Überlassung vorher der Bundesagentur für Arbeit schriftlich angezeigt werden (§ 1 a I AÜG). Es fallen also diejenigen, die aufgrund der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Lage Arbeitnehmer verleihen, um Kurzarbeit, etc. zu vermeiden unter de Erlaubnispflicht. Folglich werden auch die sich daran anknüpfenden Rechtsfolgen im Falle einer fehlenden oder widerrufenden Erlaubnis nicht erfüllt.

Im Falle der mangelnden Zuverlässigkeit ist die Erlaubnis zu versagen (§ 3 AÜG). Dies gilt auch bei Verstößen gegen das Sozialversicherungs- und Lohnsteuerrecht.

Fallstricke bei der Vertragsgestaltung:

Bei dem Vertrag zwischen Verleiher u. Entleiher sind folgende Punkte zwingen zu beachten:

  • Der Vertrag bedarf der Schriftform.
  • Der Vertrag muss die Erklärung enthalten, dass die Erlaubnis besteht (§ 12 AÜG) à Bei Änderungen u.
    insbesondere Rücknahme, Widerruf, oder Nichtverlängerung der Erlaubnis muss der Entleiher unverzüglich unterrichtet werden (§ 12 II AÜG).
  • Kollektivrecht: Der Betriebsrat des Entleihers hat Einsichtsrecht in den Vertrag.

Bei dem Vertrag zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ist folgendes zu beachten:

  • Besondere Regelung im Falle des Auslandseinsatzes.
  • Sämtliche gem. § 2 NachwG enthaltenen Regelungen (wie in einem herkömmlichen Arbeitsvertrag) sind auch hier zu berücksichtigen.
  • Daneben muss dem Arbeitnehmer ein Merkblatt der Agentur für Arbeit für Leiharbeitsverhältnisse in der Muttersprache des Arbeitnehmers ausgehändigt werden.

Folgende Klauseln in Verträgen sind unzulässig:

  • Unzulässig sind Aushilfsarbeitsverhältnisse mit verkürzten Kündigungsfristen.
  • Das Rechts des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Arbeitgebers darf nicht ausgeschlossen werden.
  • Daneben sind auch Verbote mit dem Entleiher nach Beendigung des Leiharbeitsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis zu begründen unwirksam.
  • Gem. § 9 Nr. 3 AÜG sind mittlerweile Vermittlungsprovisionen beim Wechsel des Leiharbeitnehmers zum Entleiher wirksam.
  • Der Grundsatz des Equal – Payment kann nicht ausgeschlossen werden. Während der Leiharbeit erhält der Leiharbeitnehmer die wesentlich gleichen Bedingungen wie vergleichbare Arbeitnehmer im Entleihbetrieb (Arbeitszeiten, Entgelt, etc.).

Risiken der Arbeitnehmerüberlassung:

Das Leiharbeitsverhältnis ist mit folgenden Risiken verbunden:
Schließt der Verleiher ohne erforderliche Erlaubnis einen Vertrag mit einem Leiharbeitnehmer, dann ist dieser gem.§ 9 Nr. 1 AÜG unwirksam. Es entsteht im Falle des gleichzeitigen Entleihens an einen Entleiher zunächst ein sogenanntes faktisches Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher.
In diesem Falle haftet der Verleiher gegenüber dem Leiharbeitnehmer gem. § 10 II AÜG auf Schadensersatz. Darüber hinaus kommt zum Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit beim Entleiher zwischen diesem und dem Leiharbeitnehmer gem. § 10 I AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande. Der Leiharbeitnehmer erlangt somit gegen den Entleiher einen Vergütungsanspruch (BAG NZA 94, 217).

An diesem Punkt deuten sich bereits die möglichen Probleme an. Wir haben ein sogenanntes faktisches zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer und eines kraft Gesetzes zwischen Arbeitnehmer und Entleiher. Wer muss die Sozialabgaben tragen, wer hat gegen wen Schadensersatzansprüche, etc. Sämtliche dieser Punkte sind zumindest in der Literatur stark umstritten.

Das Verhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher:
Es besteht grundsätzlich kein Arbeitsvertrag zwischen den beiden, es sei denn, dass die Erlaubnis, wie oben beschrieben, fehlt.
Im Normalfall unterliegt der Leiharbeitnehmer dem Direktionsrecht des Entleihers und wird vollständig in die Betriebsstrukturen des Entleihers eingegliedert.
Zum Kollektivrecht ist noch zu sagen, dass Leiharbeitnehmer bei Betriebsratswahlen zwar wahlberechtigt, jedoch nicht wahlfähig (§ 14 AÜG, §§7,8 BetrVG). Bei der Bestimmung der wahlberechtigten Arbeitnehmer (z.B. ob überhaupt Betriebsrat) zählen sie nicht mit.
Sofern der Entleiher seine Fürsorgepflichten verletzt, kann der Leiharbeitnehmer außerordentlich kündigen. Mangels eigenen Vertragsverhältnisses mit dem Entleiher ist dem Leiharbeitnehmer dieses Recht ausdrücklich zugewiesen worden.

Arbeitsrecht: Die Arbeitnehmerüberlassung – Teil 1

Die Arbeitnehmerüberlassung im Überblick:

Definition:
Der Arbeitgeber (Verleiher) stellt einem Dritten (Entleiher) aufgrund vertraglicher Vereinbarung vorübergehend bei ihm angestellt Arbeiter oder Angestellte (Leiharbeitnehmer) zur Verfügung und diese werden vom Entleiher nach seinen Vorstellungen und Zielen wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt. Die Arbeitskräfte sind in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und unterstehen den Weisungen hinsichtlich der Arbeitsausführung.

Vom Leiharbeitnehmer wird ein hohes Maß an Flexibilität erwartet. Aufgrund dessen soll durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ein weitreichender Schutz der Arbeitnehmer durch gewährleistet werden. Insbesondere soll gerade nicht der Verlust eines vermittelten Arbeitsplatzes jeweils sofort die Kündigung des Arbeitnehmers zur Folge haben. Vielmehr bleibt sodann natürich das Verhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher bestehen. Der Arbeitgeber, Verleiher muss sodann natürlich versuchen für den Leiharbeitnehmer eine neue Tätigkeit zu finden. Erst wenn nach einer gewissen Zeit diverse Versuche, die gegebenenfalls in einem Arbeitsgerichtsverfahren darzulegen und nachzuweisen sind, gescheitert sind, darf der Verleiher den Arbeitnehmer auch bei sich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen kündigen.

„echte und unechte“ Arbeitnehmerüberlassung (besser: gewerbliche und ungewerbliche Arbeitnehmerüberlassung:

Früher ist zwischen „echter“ und „unechter“ Arbeitnehmerüberlassung differenziert worden. Nur die unechte Arbeitnehmerüberlassung sollte in den Bereich des AÜG fallen. Bei der „unechten“ Arbeitnehmerüberlassung wurde ein Arbeitnehmer nur für die Zwecke des Einsatzes als Leiharbeitnehmer angestellt.

Heute differenziert man zwischen der gewerbsmäßigen und nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Lediglich die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung fällt dann in den Bereich des AÜG.

Vorteile der Verwendung von Leiharbeitnehmern:

  • Leiharbeit ist eine Flexibilitätsreserve für kurzfristigen und akuten Arbeitsbedarf (Abdeckung von Leistungsspitzen).
  • Nach Erledigung der Arbeit – Beendigung von Projekten kann man den Leiharbeitnehmer sofort wieder zu seinem Arbeitgeber zurück schicken
  • Keine lange Kündigungsfrist
  • Kein Kündigungsschutz
  • kein finanzielles Risiko.
  • Unter Umständen können auch die Organisations- und Personalbetreuungskosten reduziert werden durch Leiharbeitnehmer.
  • Ebenfalls kann der Arbeitgeber den Leiharbeiter testen und ggf. irgendwann tatsächlich in seinem Betrieb als eigenen Arbeitnehmer aufnehmen  – Argument: „verlängerte Probezeit“.
  • Aus Sicht des Arbeitnehmers verlangt die Leiharbeit zunächst sehr viel Flexibilität von ihm (ständig wechselnde Einsatzorte, auch längere Anfahrten zu den Einsatzorten werden verlangt; sehr schnell wechselnde neue Aufgaben und Einsatzorte). Allerdings kann gerade nach langer Arbeitslosigkeit die Leiharbeit ein „Sprungbrett“ darstellen.

Arbeitsrecht: Leiharbeitnehmer sind bei der Berechnung der Anzahl der Mitarbeiter gem. § 23 KSchG zu berücksichtigen

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 24.01.2013, Aktenzeichen: 2 AZR 140/12

Leiharbeitnehmer sind bei der Berechnung des Betriebes (Kleinbetriebsklausel) gemäß § 23 KSchG zu berücksichtigen.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt der Kündigungsschutz für alle nach dem 31.12.2003 eingestellten Arbeitnehmern nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Das BAG urteilte nunmehr aktuell, dass bei der Berechnung der Betriebsgröße auch beschäftigte Leiharbeitnehmer mit zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einen in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies würde sich aus Sinn und Zweck bei der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Angestellte. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht. Mit der Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Arbeitsgericht sowie Landesarbeitsgericht hatten jeweils die Klage abgewiesen, da das Kündigungsschutzgesetz ihrer Ansicht nach keine Anwendung fände. Die Revision des Klägers hatte vor dem 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts jedoch Erfolg. Es sei nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Bei der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern steht nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig in persönlicher Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belaste. Dies rechtfertigt jedoch keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder entliehener Arbeitsnehmer beruhe. Allerdings hat der Senat die Sache zur neuen Verhandlungsentscheidung an das LAG zurückverwiesen. Es stünde noch nicht fest, ob die zum Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb in der Regel nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalles beschäftigt waren.

Fazit:
Nach alledem müssen sich Firmen, die regelmäßig Leiharbeitnehmer beschäftigen, auch im Rahmen von Kündigungen Gedanken zu dem Punkt machen, ob die Leiharbeitnehmernur einen vorübergehenden Mehrbedarf decken sollen oder ob sie einen regelmäßig vorhandenen Arbeitsbedarf abdecken. Vorsorglich sollten Arbeitgeber im Falle von Kündigungen Leiharbeitnehmer mitzählen und sich rechtzeitig über die Kündigungsgründe Gedanken machen. Hierdurch können teure Arbeitsgerichtsverfahren sowie große Abfindungsansprüche gekündigter Arbeitnehmer verhindert jedoch zumindest erheblich reduziert werden.

Karsten Klug
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Werden Leiharbeitnehmer bei dauerhafter Überlassung Arbeitnehmer des Entleihers?

Das LAG Berlin-Brandenburg machte auf sich Anfang diesen Jahres dadurch aufmerksam, dass es den gleichen Sachverhalt in unterschiedlichen Kammern unterschiedlich beurteilte. Mit Urteil vom 16.10.2012 urteilte die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, dass auch die dauerhafte Überlassung eines Leiharbeitnehmers kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer begründe. Selbst wenn nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG n. F. die Überlassung von Leiharbeitnehmern nur vorübergehend erfolgen dürfe, führe dies nicht zu einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher. Eine solche Rechtsfolge sähe nämlich das Gesetz ausdrücklich nicht vor. Es könne gerade in solchen Fällen nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Strohmanngeschäft ausgegangen werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Ende des Jahres 2011 (Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes) abgeschlossen worden sei.

In dieser Entscheidung (Az.: 7 Sa 1182/12) hatte eine Krankenschwester geklagt, welche bei einem Tochterunternehmen der beklagten Krankenhausbetreibergesellschaft beschäftigt war. Diese Tochtergesellschaft verfügt über die Erlaubnis einer Arbeitnehmerüberlassung. Sie setzte die Klägerin für die gesamte bisher über vierjährige Dauer des Arbeitsverhältnisses als Leiharbeitnehmerin ausschließlich bei der Beklagten ein. Mit der Klage machte die Klägerin geltend, dass durch die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zustandegekommen sei. Das LAG wies die Klage ab, allerdings ist die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen worden. Nach Auffassung der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg sei im Gesetz nicht näher geregelt, bis zu welcher zeitlichen Grenze eine nur vorübergehende Überlassung vorläge und ferner welche Rechtsfolgen eine dauerhafte Überlassung auslösen würden. Insbesondere sei nicht geregelt, ob in einem solchen Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer zustande komme.

In der Entscheidung vom 09.01.2013, Aktenzeichen: 15 Sa 1635/12, urteilte die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg, dass die Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgen dürfe. Wird ein Arbeitnehmer dauerhaft überlassen, läge kein Fall der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung vor. Eine ohne Erlaubnis durchgeführte Arbeitnehmerüberlassung führe regelmäßig gemäß § 10 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zu einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher sowie dem Leiharbeitnehmer. Zwar sei im Gesetz nicht geregelt, wann nur ein vorübergehender Einsatz anzunehmen sei und welche Rechtsfolgen hier angeknüpft seien, gleichwohl hielt die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg fest, dass zwischen dem Entleiher sowie dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis bestünde. Es stelle einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar, wenn das konzerneigene Verleihunternehmen nicht am Markt werbend tätig sei und eine Beauftragung nur dazu diene, Kosten zu senken und kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Auch die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg lies die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

Fazit:
Aufgrund der divergierenden Entscheidungen ist es äußerst spannend und es bleibt abzuwarten, wie nun das Bundesarbeitsgericht in den Sachen entscheiden wird. Insbesondere denke ich, dass ein Arbeitsverhältnis als Rechtsfolge des Verstoßes der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zur Rechtsfolge hat. Eine solche Rechtsfolge müsste ausdrücklich geregelt sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Sollte es tatsächlich so sein, dass nunmehr durch das Merkmal der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung im Falle der Überschreitung dieses Merkmals ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande käme, wäre damit mehr oder minder das Geschäftsmodell der Arbeitnehmerüberlassung tot. In vielen Fällen ist die Arbeitnehmerüberlassung über mehrere Jahre angelegt. Zwar haben sich in einigen Bereichen die jeweilig beteiligten Parteien durch Tarifverträge o. ä. zusammengeschlossen und vereinbart, es solle regelmäßig eine Überprüfung der Möglichkeit der Festanstellung durchgeführt werden. Gleichwohl sind in der Praxis auch innerhalb dieser Tarifverträge keine zwingenden Rechtsfolgen daran geknüpft, wenn die Leiharbeit eben nicht nur vorübergehend ist.

Mitgeteilt von

Karsten Klug
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht