Arbeitsrecht: Die Arbeitnehmerüberlassung – Teil 1

Die Arbeitnehmerüberlassung im Überblick:

Definition:
Der Arbeitgeber (Verleiher) stellt einem Dritten (Entleiher) aufgrund vertraglicher Vereinbarung vorübergehend bei ihm angestellt Arbeiter oder Angestellte (Leiharbeitnehmer) zur Verfügung und diese werden vom Entleiher nach seinen Vorstellungen und Zielen wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt. Die Arbeitskräfte sind in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und unterstehen den Weisungen hinsichtlich der Arbeitsausführung.

Vom Leiharbeitnehmer wird ein hohes Maß an Flexibilität erwartet. Aufgrund dessen soll durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ein weitreichender Schutz der Arbeitnehmer durch gewährleistet werden. Insbesondere soll gerade nicht der Verlust eines vermittelten Arbeitsplatzes jeweils sofort die Kündigung des Arbeitnehmers zur Folge haben. Vielmehr bleibt sodann natürich das Verhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher bestehen. Der Arbeitgeber, Verleiher muss sodann natürlich versuchen für den Leiharbeitnehmer eine neue Tätigkeit zu finden. Erst wenn nach einer gewissen Zeit diverse Versuche, die gegebenenfalls in einem Arbeitsgerichtsverfahren darzulegen und nachzuweisen sind, gescheitert sind, darf der Verleiher den Arbeitnehmer auch bei sich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen kündigen.

„echte und unechte“ Arbeitnehmerüberlassung (besser: gewerbliche und ungewerbliche Arbeitnehmerüberlassung:

Früher ist zwischen „echter“ und „unechter“ Arbeitnehmerüberlassung differenziert worden. Nur die unechte Arbeitnehmerüberlassung sollte in den Bereich des AÜG fallen. Bei der „unechten“ Arbeitnehmerüberlassung wurde ein Arbeitnehmer nur für die Zwecke des Einsatzes als Leiharbeitnehmer angestellt.

Heute differenziert man zwischen der gewerbsmäßigen und nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Lediglich die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung fällt dann in den Bereich des AÜG.

Vorteile der Verwendung von Leiharbeitnehmern:

  • Leiharbeit ist eine Flexibilitätsreserve für kurzfristigen und akuten Arbeitsbedarf (Abdeckung von Leistungsspitzen).
  • Nach Erledigung der Arbeit – Beendigung von Projekten kann man den Leiharbeitnehmer sofort wieder zu seinem Arbeitgeber zurück schicken
  • Keine lange Kündigungsfrist
  • Kein Kündigungsschutz
  • kein finanzielles Risiko.
  • Unter Umständen können auch die Organisations- und Personalbetreuungskosten reduziert werden durch Leiharbeitnehmer.
  • Ebenfalls kann der Arbeitgeber den Leiharbeiter testen und ggf. irgendwann tatsächlich in seinem Betrieb als eigenen Arbeitnehmer aufnehmen  – Argument: „verlängerte Probezeit“.
  • Aus Sicht des Arbeitnehmers verlangt die Leiharbeit zunächst sehr viel Flexibilität von ihm (ständig wechselnde Einsatzorte, auch längere Anfahrten zu den Einsatzorten werden verlangt; sehr schnell wechselnde neue Aufgaben und Einsatzorte). Allerdings kann gerade nach langer Arbeitslosigkeit die Leiharbeit ein „Sprungbrett“ darstellen.

Arbeitsrecht: Leiharbeitnehmer sind bei der Berechnung der Anzahl der Mitarbeiter gem. § 23 KSchG zu berücksichtigen

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 24.01.2013, Aktenzeichen: 2 AZR 140/12

Leiharbeitnehmer sind bei der Berechnung des Betriebes (Kleinbetriebsklausel) gemäß § 23 KSchG zu berücksichtigen.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt der Kündigungsschutz für alle nach dem 31.12.2003 eingestellten Arbeitnehmern nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Das BAG urteilte nunmehr aktuell, dass bei der Berechnung der Betriebsgröße auch beschäftigte Leiharbeitnehmer mit zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einen in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies würde sich aus Sinn und Zweck bei der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Angestellte. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht. Mit der Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Arbeitsgericht sowie Landesarbeitsgericht hatten jeweils die Klage abgewiesen, da das Kündigungsschutzgesetz ihrer Ansicht nach keine Anwendung fände. Die Revision des Klägers hatte vor dem 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts jedoch Erfolg. Es sei nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Bei der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern steht nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig in persönlicher Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belaste. Dies rechtfertigt jedoch keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder entliehener Arbeitsnehmer beruhe. Allerdings hat der Senat die Sache zur neuen Verhandlungsentscheidung an das LAG zurückverwiesen. Es stünde noch nicht fest, ob die zum Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb in der Regel nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalles beschäftigt waren.

Fazit:
Nach alledem müssen sich Firmen, die regelmäßig Leiharbeitnehmer beschäftigen, auch im Rahmen von Kündigungen Gedanken zu dem Punkt machen, ob die Leiharbeitnehmernur einen vorübergehenden Mehrbedarf decken sollen oder ob sie einen regelmäßig vorhandenen Arbeitsbedarf abdecken. Vorsorglich sollten Arbeitgeber im Falle von Kündigungen Leiharbeitnehmer mitzählen und sich rechtzeitig über die Kündigungsgründe Gedanken machen. Hierdurch können teure Arbeitsgerichtsverfahren sowie große Abfindungsansprüche gekündigter Arbeitnehmer verhindert jedoch zumindest erheblich reduziert werden.

Karsten Klug
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Werden Leiharbeitnehmer bei dauerhafter Überlassung Arbeitnehmer des Entleihers?

Das LAG Berlin-Brandenburg machte auf sich Anfang diesen Jahres dadurch aufmerksam, dass es den gleichen Sachverhalt in unterschiedlichen Kammern unterschiedlich beurteilte. Mit Urteil vom 16.10.2012 urteilte die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, dass auch die dauerhafte Überlassung eines Leiharbeitnehmers kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer begründe. Selbst wenn nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG n. F. die Überlassung von Leiharbeitnehmern nur vorübergehend erfolgen dürfe, führe dies nicht zu einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher. Eine solche Rechtsfolge sähe nämlich das Gesetz ausdrücklich nicht vor. Es könne gerade in solchen Fällen nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Strohmanngeschäft ausgegangen werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Ende des Jahres 2011 (Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes) abgeschlossen worden sei.

In dieser Entscheidung (Az.: 7 Sa 1182/12) hatte eine Krankenschwester geklagt, welche bei einem Tochterunternehmen der beklagten Krankenhausbetreibergesellschaft beschäftigt war. Diese Tochtergesellschaft verfügt über die Erlaubnis einer Arbeitnehmerüberlassung. Sie setzte die Klägerin für die gesamte bisher über vierjährige Dauer des Arbeitsverhältnisses als Leiharbeitnehmerin ausschließlich bei der Beklagten ein. Mit der Klage machte die Klägerin geltend, dass durch die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zustandegekommen sei. Das LAG wies die Klage ab, allerdings ist die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen worden. Nach Auffassung der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg sei im Gesetz nicht näher geregelt, bis zu welcher zeitlichen Grenze eine nur vorübergehende Überlassung vorläge und ferner welche Rechtsfolgen eine dauerhafte Überlassung auslösen würden. Insbesondere sei nicht geregelt, ob in einem solchen Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer zustande komme.

In der Entscheidung vom 09.01.2013, Aktenzeichen: 15 Sa 1635/12, urteilte die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg, dass die Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgen dürfe. Wird ein Arbeitnehmer dauerhaft überlassen, läge kein Fall der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung vor. Eine ohne Erlaubnis durchgeführte Arbeitnehmerüberlassung führe regelmäßig gemäß § 10 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zu einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher sowie dem Leiharbeitnehmer. Zwar sei im Gesetz nicht geregelt, wann nur ein vorübergehender Einsatz anzunehmen sei und welche Rechtsfolgen hier angeknüpft seien, gleichwohl hielt die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg fest, dass zwischen dem Entleiher sowie dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis bestünde. Es stelle einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar, wenn das konzerneigene Verleihunternehmen nicht am Markt werbend tätig sei und eine Beauftragung nur dazu diene, Kosten zu senken und kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Auch die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg lies die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

Fazit:
Aufgrund der divergierenden Entscheidungen ist es äußerst spannend und es bleibt abzuwarten, wie nun das Bundesarbeitsgericht in den Sachen entscheiden wird. Insbesondere denke ich, dass ein Arbeitsverhältnis als Rechtsfolge des Verstoßes der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zur Rechtsfolge hat. Eine solche Rechtsfolge müsste ausdrücklich geregelt sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Sollte es tatsächlich so sein, dass nunmehr durch das Merkmal der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung im Falle der Überschreitung dieses Merkmals ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande käme, wäre damit mehr oder minder das Geschäftsmodell der Arbeitnehmerüberlassung tot. In vielen Fällen ist die Arbeitnehmerüberlassung über mehrere Jahre angelegt. Zwar haben sich in einigen Bereichen die jeweilig beteiligten Parteien durch Tarifverträge o. ä. zusammengeschlossen und vereinbart, es solle regelmäßig eine Überprüfung der Möglichkeit der Festanstellung durchgeführt werden. Gleichwohl sind in der Praxis auch innerhalb dieser Tarifverträge keine zwingenden Rechtsfolgen daran geknüpft, wenn die Leiharbeit eben nicht nur vorübergehend ist.

Mitgeteilt von

Karsten Klug
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht