Datenschutzrecht: Was ist bei der Videoüberwachung zu berücksichtigen?

Aus „gegebenen“ Anlass möchte ich Ihnen mit diesem Artikel einige Informationen zur Videonutzung in Ihrem Unternehmen an die Hand geben. Aktuell erhalte ich immer mehr Anfragen von Mandanten, die von den jeweilig zuständigen Landesdatenschutzbehörden angeschrieben wurden und um Auskunft über die Verwendung von Videokameras aufgefordert werden. Anlass dieser Überprüfungen sind jeweils Anzeigen bei den zuständigen Landesdatenschutzbehörden (z.B. durch Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiter sowie Kunden).

 

Sofern Sie Videokameras einsetzen möchten, sollten Sie vorher folgende Überlegungen anstellen und auch folgende Abwägungen treffen:

1. Allgemeines

Nach der Rechtsprechung (sowohl des Bundesarbeitsgerichtes, vgl. BAG, Beschluss vom 26. August 2008 – 1 ABR 16/07 –, BAGE 127, 276-297, als auch z.B. des BVerfG in Kammerbeschluss vom BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 –)  greift jede Videoüberwachung in das Recht der betroffenen Personen ein über die Bilddaten selbst zu bestimmen. Des Weiteren erzeugen Kameras nach der Auffassung der Gerichte  einen Überwachungsdruck, der zu Verunsicherungen der Betroffen führt und die Verhaltensweisen der Betroffenen beeinflussen kann. Das Bundesverfassngsgericht hat in seiner zuvor zitierten Entscheidung nicht nur festgehalten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht nur den Schutz der Privat- und Intimspähre gewährleistet, sondern auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmug gewährleistet. Diesem Grundrecht stehen die Interessen der Unternehmen und das Grundrecht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Eigentumsrechte und ggf. die Berufsausübungsfreiheit entgegen. Aufgrund dessen muss im Rahmen einer sogenannten Interessenabwägung in jedem individuellen Einzelfall der Zweck der Videoüberwachung geprüft werden und sodann die Angemessenheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit geprüft werden.

2. Rechtsgrundlage
Die mittels der Videokamera ggf. erhobenen personenbezogenen Bilddaten, sind personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Nach den Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes sind die Datenerhebung / Speicherung / Verwendung ersteinmal verboten, es sei denn, dass eine Rechtsvorschrift dieses ausdrücklich erlaubt oder die Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Es handelt sich somit um eine „Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt“. Als maßgebliche Norm bei den sogenannten „nicht-öffentlichen Stellen“ (juristische Personen des privaten Rechts, vgl. § 2 Abs. 4 BDSG) kommt § 6 b BDSG in Betracht.Diese Vorschrift lautet wie folgt:

§ 6b Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen

(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie

1.zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,

2.zur Wahrnehmung des Hausrechts oder

3.zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke

          erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

(2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.

(3) Die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

(4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet, ist diese über eine Verarbeitung oder Nutzung entsprechend den §§ 19a und 33 zu benachrichtigen.

(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.

 Unter folgenden Voraussetzungen ist eine Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen Räumen zulässig:

  • Optische-elektonische Einrichtungen = Videoüberwachung (erfasst sind somit Videokameras aller Art; nicht erfasst sind Ferngläser oder Videokameraatrappen sowie auch die akustische Überwachung)
  • öffentlich-zugängliche Räume
    § 6b BDSG findet nur Anwendung auf die Beobachtung von „öffentlich zugänglichen Räumen“. Dies betrifft somit Räumlichkeiten, die dem Zwecke nach von einer Vielzahl von Personen frei oder nach allgemein erfüllbaren Kriterien betreten und genutzt werden. Es ist dabei unerheblich, ob die Räume umschlossen oder überdacht sind. Auch kommt es nicht auf die Eigentumsverhältnisse bei dem Beobachtungsobjekt an (Beispiele sind: Verkaufsräume von Geschäften, Einkaufspassagen, Restaurants, Cafes, Kaufhäuser etc.). Ebenfalls fallen darunter auch solche Bereiche, die nur „frei zugänglich“ sind, wenn zuvor eine Eintrittskarte erworben wurde (z.B. U-Bahnen, Theater, Fußballstadion etc.). Ausdrücklich nicht öffentlich zugängliche Räume sind z.B. die Privatwohnung, das abgeschlossene bzw. befriedete Firmen- oder Werksgelände, Büro- und Sozialräume.
  • „Beobachtung“ ist nicht nur die Aufnahme von öffentlich zugänglichen Räumen und Übertragung der Bilder auf Bildschirme, sondern ferner müssen diese Aufnahme auch aufgezeichnet und ggf. ausgewertet werden können. Ferner wird die Speicherung mit analoger Technik nicht von dieser Vorschrift erfasst (BDSG Kommentar Gola/Schomerus, 11. Auflage, § 6b, Rdnr. 10).  Durch die Begriffe „Beobachtung“ in Absatz 1 und die weiteren Begriffe „Verarbeitung“ und „Nutzung“ in Absatz 3 wird deutlich, dass § 6b BDSG bereits dann eingreift, wenn Bilddaten durch optisch-elektronische Einrichtungen sichtbar gemacht werden. Aufgrund dessen ist nach Auffassung der Datenschutzbehörden bereits der Tatbestand von § 6b BDG eröffnet, wenn Bilder live auf einen Bildschirm übertragen werden, ohne explizite Speicherug der Bilder. Demgegenüber wird z.B. im vorgenannten Kommentar vertreten, dass die Beobachtung eine Tätigkeit von gewisser Dauer voraussetzt.  Insofern ist dieser Punkt streitig. Auch § 6b BDSG setzt das Erheben von personenbezogenen Daten voraus. Somit müssen die „beobachteten“ Personen individualisierbar sein. Der Tatbestand des § 6b BDSG ist z.B. nicht erfüllt, wenn die Videoaufzeichnung so pixelig und unscharf ist,  so dass dort nur Schatten erkannt werden können und die dort gezeigten Personen nicht individualisierbar sind.
  • Die zulässigen Zwecke der Videoüberwachung sind in den Nr. 1 bis Nr. 3 geregelt. Für die nicht-öffentlichen Stellen sind lediglich die Nr 2. und die Nr. 3 relevant. Somit kommen in Betracht „die Wahrnehmung des Hausrechts“ sowie die „Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegt Zwecke“. Im ersteren Fall ist der Inhaber des Hausrechts grundsätzlich befugt, die zum Schutze des Objektes bzw. zur Abwehr unbefugten Betretens erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Zweck der Videoüberwachung „zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke“ stellt einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand dar. Der konkrete Zweck muss vor Inbetriebnahme der Anlage festgelegt und dokumentiert werden.
  • Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, so ist die Erforderlichkeit zu prüfen. Nach Auffassung der Datenschutzbehörden genügt eine abstrakte Gefährdungslage in aller Regel nicht aus. Vielmehr sind belegbare Vorkommnisse in der Vergangenheit erforderlich. Sodann muss die Videoüberwachung für den festgelegten Zweck geeignet sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Überwachungsziel tatsächlich erreicht wird und kein anderes, gleich wirksames, den Betroffenen weniger in seinen Rechten beeinträchtigendes Mittel zur Verfügung steht.
  • Schließlich ist zu prüfen, ob überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Dies erfolgt im Rahmen einer Abwägung der wechselseitigen Interessen.

3. Kenntlichmachung der Beobachtung

Die Videoüberwachung ist deutlich kenntlich zu machen (Videokameras sind sichtbar zu installieren und es sollten im Eingangsbereich bzw. vor Betreten der videoüberwachten Bereiche entsprechende Hinweisschilder installiert sein).

Achtung: Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht.

Auch ist daran zu denken, dass gem. § 4d Abs. 5 BDSG eine Vorabkontrolle vor Inbetriebnahme der Überwachungskameras erfolgen muss, sofern von den Videokameras besondere Risiken für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen ausgehen. Dies wird regelmäßig bejaht bei dem Einsatz mehrerer Kameras, so dass technisch die Möglichkeit besteht Bewegungsprofile zu erstellen oder wenn die eingesetzte Technik entsprechende Risiken auslöst (z.B. schwenkbare Kameras mit hoher Bildauflösung).

 

Dieses dient nur zur groben Orientierung. Für Detailfragen und Beratung rund um das Thema „Videoüberwachung“ stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Vereinbaren Sie gerne einen Beratungstermin.

Karsten Klug

Externer Datenschutzbeauftragter (TÜV zertifiziert).

Datenschutz: Aufbau des BDSG – Teil II

Meldepflichten gem. § 4 d BDSG:

Sie dienen der Vorabkontrolle. Es gibt grundsätzlich ein Regel – Ausnahme – Prinzip.

Die Regel:

Die Regel besagt, dass zunächst einmal alle verantwortlichen Stellen meldepflichtig sind. Gegenstand dieser Meldepflicht sind „Verfahren automatisierter Verarbeitungen“. Mit Verfahren sind nicht einzelne Verarbeitungsvorgänge, sondern ganze „Verarbeitungspakete“, die einem einheitlichen Zwecke dienen, gemeint. Die Meldung hat gem. Abs. 1 gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde zu erfolgen (bei nicht-öffentlichen Stellen). Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Die Behörden akzeptieren grundsätzlich auch Emails bzw. Emailanhänge, da die Behörden Musterformulare zur Verfügung stellen und man diese dann ausgefüllt als Emailanhang senden kann.

Ausnahmen von der Meldepflicht (§ 4 d Abs. 2 – 3 BDSG):

Ausnahmen bestehen für folgende Tatbestände:

Die Bestellung eines eigenen Beauftragten für den Datenschutz (unabhängig davon, ob eine sonstige Verpflichtung dazu besteht oder nicht).

Die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung der Daten für eigene Zwecke und hierbei in der Regel höchstens neun Personen ständig mit der Erhebung, Verarbeitung, Nutzung beschäftigt sind und entweder eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist.

Seit der BDSG – Novelle 2009 ist durch die Formulierung „in der Regel“ klargestellt, dass damit nicht Personen gemeint sind, die sporadisch Daten verarbeiten, sondern diese neun Personen müssen wirklich überwiegend mit der Verarbeitung, Erhebung oder Nutzung beschäftigt sein. Mithin zählen die Mitarbeiter nicht mit, die dies nicht regelmäßig, als freie Mitarbeiter, in Teilzeit oder nur hin und wieder tun.

Ausnahme von der Ausnahme (Abs. 4):
Die Ausnahme (Befreiung von der Meldepflicht) gilt nicht, wenn es sich um automatisierte Verarbeitungen handelt, in denen geschäftsmäßig personenbezogene Daten von der jeweiligen Stelle zum Zwecke der (auch anonymisierten) Übermittlung oder für Zwecke der Markt- und Meinungsforschung gespeichert werden (gemeint sind Datenverarbeitungen gem. §§ 29, 30, 30 a BDSG).

Schließlich gibt es noch die Vorabkontrolle (Abs. 5 – 6):
Soweit automatisierte Verarbeitungen besondere Risiken für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen aufweisen, unterliegen sie der Prüfung vor Beginn der Verarbeitung (Vorabkontrolle). Eine Vorabkontrolle ist insbesondere durchzuführen, wenn

  1. besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) verarbeitet werden oder
  2. die Verarbeitung personenbezogener Daten dazu bestimmt ist, die Persönlichkeit des Betroffenen zu bewerten, einschließlich seiner Fähigkeiten, seiner Leistung oder seines Verhaltens, es sei denn, dass eine gesetzliche Verpflichtung oder eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist.

Zuständig für die Vorabkontrolle ist der Beauftragte für den Datenschutz. Dieser nimmt die Vorabkontrolle nach Empfang der Übersicht nach § 4g Abs. 2 Satz 1 vor. Er hat sich in Zweifelsfällen an die Aufsichtsbehörde oder bei den Post- und Telekommunikationsunternehmen an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zu wenden.

Die weiteren §§ des BDSG:

§ 4 e BDSG regelt den Inhalt der Meldepflicht
§ 5 BDSG regelt das Datengeheimnis der beschäftigen Personen
§ 6 BDSG regelt die Rechte des Betroffenen mit einem Verweis auf § 34 (Auskunft), § 35 (Löschung, Sperrung) und erklärt die Unabdingbarkeit
§ 6a BDSG enthält die automatisierte Einzelentscheidung (z.B. beim Kreditantrag etc.)
§ 6b BDSG regelt die Videoüberwachung und deren Voraussetzungen.
§ 6c BDSG regelt die Nutzung mobiler personenbezogener Speicher- und Verarbeitungsmedien.
§ 7 BDSG ist Anspruchsgrundlage eines Schadensersatzanspruches des Betroffenen gegen die verantwortliche Stelle.
§ 8 BDSG regelt dies konkret für öffentliche Stellen (natürlich mit einer Haftungsbeschränkung auf 130.000,- Euro).
§ 9 BDSG regelt technische und organisatorische Maßnahmen der verantwortlichen Stelle zur Durchsetzung des BDSG, wie z.B.:

  • Zutrittskontrolle
  • Zugangskontrolle
  • Zugriffskontrolle
  • Weitergabekontrolle
  • Eingabekontrolle
  • Auftragskontrolle
  • Verfügbarkeitskontrolle

§ 9a BDSG regelt das Datenschutzaudit (Zertifizierungsmöglichkeit zur Verbesserung des Datenschutzes).
§ 10 BDSG Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens.

Mitgeteilt von Anwalt Karsten Klug